Es gibt eine neue mediale Wendung für Angriffe auf Personen, die ersatzweise dann greift, wenn der jeweiligen Person keine Vorwürfe zu machen sind. Beziehungsweise, wie es in diesem Neusprech heißt, keine direkten Vorwürfe. Oder wenn Recht verweigert wird. Ganz allgemein: wenn Moral Rechtsnormen ersetzen soll.
Wegen seiner Abschiedsrede am 18. Oktober 2018 durfte der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen nicht wie vorgesehen ins Bundesinnenministerium wechseln, sondern wurde von Horst Seehofer in den einstweiligen Ruhestand versetzt. In der Rede, um die es geht, hatte Maaßen gesagt, es habe eine Kampagne gegen ihn gegeben; Medien und linke Politiker, die von „Hetzjagden“ in Chemnitz geschrieben, gesendet und geredet hatten, hätten sich „ertappt“ gefühlt, als er, Maaßen, darauf hingewiesen habe, dass für die Hetzjagd-Behauptungen jeder Beleg fehle. Wegen dieser und anderer Aussagen in seiner letzten Rede forderten Politiker ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Vor wenigen Tagen teilte das Bundesinnenministerium mit, es werde kein Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten geben, es gebe keine Anhaltspunkte, dass ihm dienstrechtlich etwas vorzuwerfen sei.
Genau so hätten es die Medien auch melden können. Taten sie aber nicht. Stattdessen hieß es etwa bei Spiegel Online, im Handelsblatt und anderswo: „Maaßen entgeht Disziplinarverfahren wegen umstrittener Abschiedsrede.“ Entgeht – das suggeriert, er habe sich dem Verfahren irgendwie entzogen, oder sein Dienstherr habe eine eigentlich nicht gerechtfertigte Gnade walten lassen. Noch besser ist: entging einem Disziplinarverfahren wegen seiner Rede. Die Verknüpfung wegen hätte nur Sinn ergeben, wenn ein Verfahren eröffnet worden wäre. Wenn kein Verfahren stattfindet, gibt es auch keinen Verstoß, es sei denn, Medien und generell Ankläger führen gerade das Delikt im Konjunktiv ein. Darum scheint es gerade zu gehen. Von den Überschriften bleibt die Suggestion übrig: Maaßen hätte wegen seiner Rede eigentlich bestraft gehört, konnte aber gerade noch entwischen.
Noch eine Umdrehung perfider handhabt die ehemalige Beauftragte für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler diese Technik. Birthler wurde von dem Stiftungsrat der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen als so genannte Vertrauensperson eingesetzt, offenbar, um die Entlassung des früheren Gedenkstätten-Direktors Hubertus Knabe mit einem eilig geschriebenen Gutachten zu flankieren. Birthler ist Knabe noch aus früheren Zeiten in Abneigung verbunden. Die Vorwürfe gegen Knabe bestehen in der vagen Behauptung, er habe sexuelle Belästigungen in der Gedenkstätte geduldet. In einem – journalistisch tadellos geführten – Spiegel-Interview (Spiegel 50/2018) sagte Birthler:
„Gegen Herrn Knabe gab es keinen direkten Vorwurf sexueller Belästigung, das stimmt.“
Nun gilt in einem Rechtsstaat das Prinzip: Entweder gibt es Vorwürfe, oder es gibt sie nicht. Wenn es sie gibt, sind sie per Definition direkt. Birthler bekräftigt in dem Interview ihr nicht direkt, indem sie suggeriert, Knabe habe sexuelle Grenzüberschreitungen seines ehemaligen Stellvertreters „geduldet“, ohne diesen Vorwurf näher zu begründen. Tatsächlich hatte Knabe diesen Stellvertreter wegen der Vorwürfe beurlaubt. Bis jetzt gibt es allerdings keine Anklage gegen ihn, natürlich auch kein Urteil. Geklärt ist noch nicht einmal, ob die Vorwürfe gegen Knabes Stellvertreter überhaupt die juristische Relevanzschwelle überschritten hatten. In der Gedenkstätten-Affäre spielt sich also der bisher präzedenzlose Fall ab, dass ein Direktor wegen unbewiesener Vorwürfe gegen seinen Untergebenen gefeuert wurde, und das, obwohl er Schritte gegen diesen Untergebenen unternommen hatte. Das alles erwähnt Birthler nicht. Stattdessen bringt sie den Namen Knabe und die Formulierung „Vorwurf sexueller Belästigung“ in einem Satz unter, garniert mit nicht direkt, also irgendwie doch.
Gegen Birthler gibt es übrigens nicht direkt Vorwürfe der Geldunterschlagung in ihrem ehemaligen Amt. Deshalb entging sie auch einem Strafverfahren.
Eine Rhetorik, die bisher geltende Standards beiseiteschiebt oder vielmehr zersetzt, blüht auch auf einem anderen Gebiet, das mit Recht zu tun hat. Am Donnerstag dieser Woche ließen die Mehrheitsfraktionen im Bundestag die AfD-Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel zum zweiten Mal in der Wahl zur stellvertretenden Bundestagspräsidentin durchfallen. Vorher hatte eine Mehrheit der Abgeordneten schon den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser dreimal scheitern lassen. Gegen ihn hatte es von den anderen Fraktionen Vorwürfe wegen dessen Äußerungen zum Islam gegeben. Gegen Harder-Kühnel, die zum gemäßigten AfD-Flügel zählt, äußerte bisher niemand einen konkreten Vorbehalt. Trotzdem verweigerte ihr eine Mehrheit den Posten.
Die rechtliche Lage ist eindeutig: Jeder Fraktion steht ein Posten des stellvertretenden Parlamentspräsidenten beziehungsweise der -präsidentin zu. Schon nach dem ersten Wahlgang Harder-Kühnels wählte eine ganze Reihe von Medien trotzdem eine bemerkenswerte Formulierung: Der Posten stehe der AfD „eigentlich“ zu. Das kleine Wörtchen, das sich dazwischenschiebt, suggeriert, es gebe zwar einen Anspruch der AfD auf den Posten, aber eben nur eigentlich. Man könne die Sache auch anders sehen. Wie, das schrieb die taz:
„Die Wahl einer AfD-Politikerin könnte als Anerkennung der Rechtspopulisten als ganz normale demokratische Partei missverstanden werden. Das ist ein Problem.“
Jemand, gegen den nichts vorliegt, entgeht einem Verfahren, jemand, gegen den es keine Belästigungsvorwürfe gibt, ist eben nur nicht mit direkten Vorwürfen konfrontiert, ein Recht besteht, wenn es um eine bestimmte Fraktion geht, nur eigentlich, und nicht seine Verweigerung, sondern seine Erfüllung stellt ein Problem dar. Jedenfalls dann, wenn es um ganz bestimmte Personen und um diese eine Fraktion geht.
Dass die Parlamentsmehrheit einer Fraktion auch nach mehr als einem Viertel der Legislaturperiode den Weg zu einem ihr zustehenden herausragenden Posten versperrt, ist offene Rechtsbeugung. Der Begriff kommt allerdings in praktisch keinem Kommentar und keinem Bericht der meisten Medien vor.
Diese Wendung muss man sich schließlich aufsparen für den Fall, dass in Ungarn oder Polen etwas Ähnliches passiert.
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Robert Meyer
14. Dezember, 2018Das haben Sie wunderbar pointiert herausgearbeitet. Ich finde, das gilt auch für den „Prüffall“ als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes.
Allerdings betreibt eine gewisse Partei in mancher Hinsicht ja das Geschäft der Moralisten, in dem sie eine Hexenjagd in den eigenen Reihen veranstaltet. Das wiederum finde ich etwas eigenartig.
Hermann Willaredt
14. Dezember, 2018Auf den Punkt gebracht, präzise und gekonnt.
Ulrich Tietze
14. Dezember, 2018Guten Abend Herr Wendt, vorab möchte ich gerne anmerken dürfen, dass Ihre Kolumnen immer scharfsinnig, extrem eloquent und damit schließlich ein Genuss sind für Menschen mit klassischem humanistischen Bildungshintergrund, die noch wissen, dass (die deutsche) Sprache eine Freude sein kann, wenn man sich ihrer geistreich und elaboriert zu bedienen vermag. Da unterscheiden Sie sich erfreulicherweise von den meisten zeitgenössischen Chronisten der “großen Medienhäuser”, ungeachtet dessen ob “Print” oder “Air”. Doch kommen wir zu Ihrem heutigen Aufsatz, bei dessen Lektüre ich die ganze Zeit an ein Werk von Schopenhauer denken musste: die eristische Dialektik. In diesem Kompendium fasste der große Philosoph bekanntermaßen einige “Kniffe” – heute würde man dabei vielleicht eher von “Taschenspielertricks” sprechen – zusammen, derer man sich bedienen sollte, wenn einem mangels Substanz die (Gegen-)Argumente in einer Debatte einfach fehlen sollten – weil die Gegenseite a priori die einzigen, weil wahren Fakten anzuführen vermag. Und siehe da, schon hat man wieder die Oberhand bzw. die Deutungshoheit, man muss eben nur frech genug sein und bestenfalls über geneigte Winkeladvokaten oder eben Medienvertreter (sic!) verfügen. Der Rest ergibt sich von selbst. Denn wenn dieser Angriff “ad hominem” bzw. “ex concessis” erst einmal vorgetragen wurde, redet niemand mehr über die Sache. … Quod erat demonstrandum … Guten Abend und ein trotziges Glückauf aus dem Ruhrpott! Ulrich Tietze
Libkon
14. Dezember, 2018Die – von mir nicht direkt – behaupteten Vorwürfe von gesteuerten Linksmedien (“Handwerk” schnell gelernt von der Linkspresse) sind wohl nicht von der Hand zu weisen, wie Ihr toll recherchierter Artikel erneut beweist.
Gut, dass es das Internet und somit Publico gibt. Ich kann, nach Einnahme der “roten Pille” nach Erscheinen des Sarrazin Buches 2010 und der Erkenntnis, dass Sarrazin sachlich wenig ans Zeug zu flicken war, also musste man ihn charakterlich niedermachen, einfach diese ständigen Lügen und Halbwahrheiten – das sind sogar die schlimmsten Lügen – nicht mehr ertragen.
Ich lese derzeit (mir zufällig untergekommen anläßlich einer Bestellung bei Weltbild (?)) völlig legal und absolut kostenlos 6 Mal den Spiegel. Schon beim ersten Heft habe ich den politischen Teil als unappetitlich beiseitegelegt und die Kolumne von Herrn Fleischhauer gelesen, der wohl noch rational denken DARF. Ein Abo kommt natürlich nicht in Frage.
S.E.
14. Dezember, 2018Sehr geehrter Herr Wendt,
zu den beiden unerhörten Fällen (Maaßen, Harder-Kühnel) passt der von Herrn Knabe nicht.Letzterer ist offensichtlich ein autoritärer Charakter, der nicht physisch übergriffig wird, sondern verbal, und vor dem die Mitarbeiterinnen Angst haben, welchselbes für Sie und Herrn Vaatz ohne Bedeutung zu sein scheint. Und auch Sie zensieren. Mit freundlichem Gruss. S.E.
B. Rilling
14. Dezember, 2018Bei Welt online hatte unter einem entsprechenden Artikel zum zweiten mißlungenem gestrigen Wahlgang im Bundestag doch tatsächlich ein Kommentator geschrieben: Warum würden die ganzen rechten Wähler sich darüber so aufregen? Das sei halt echte Demokratie.
Das hat mich völlig sprachlos gemacht.
Ostfale
15. Dezember, 2018Genau dieser ‘Meinung’ scheinen rund 87 Prozent der Einheimischen zu sein und bestätigen deshalb die Träger der echten Demokratie fortwährend bei den (demokratischen) Wahlen.
Früher galt ungeschrieben das Gesetz in der Bevölkerung, daß man über Tote nichts Schlechtes sagen sollte. Heute ist es Gang und Gäbe, daß der Rufmörder sein Zielsubjekt – nicht nur straffrei – bei Lebzeiten umbringen kann. Er soll es – von ‘Amts wegen’ oft gefördert – geradezu vollstrecken.
Das ist in dieser Demokratie legalisierte, und sobald wohl auch nicht korrigierbare – wenn denn überhaupt noch – , traurige Wirklichkeit.
Udo Pillasch
15. Dezember, 2018Ging mir genauso ! Aber anscheinend ist allen Beteiligten an
diesem Skandal vollkommen egal, wie das beim Publikum an-
kommt ! Auch scheint den Alt-Parteien durchweg nicht das
technisch-physikalische Prinzip eines Bumerangs bekannt zu
sein.
Sabine Schönfelder
14. Dezember, 2018Rechtsstaat und Demokratie werden systematisch unterwandert, verhöhnt und nur zitiert, wenn es in die eigene Agenda paßt. Die Reihe der Beispiele wurde heute im Bundestag durch einen Hammelsprung, initiiert von der AFD, noch durch ein weiteres fortgesetzt. Die Altparteien jubelten, klatschten und freuten sich wie die Schnitzel bei ‘ standing ovations’ als ihre durch den Hammelsprung bewirkte Beschlußfähigkeit im Bundestag verkündet wurde. Freude worüber? Daß man vor Weihnachten noch einmal die eigene Verachtung parlamentarischer Regeln feiern durfte, wenn auch auf Anweisung der AFD? Politik als gutbezahlte Unterhaltungsmaßnahme für stark emotionalisierte Politiker, die sich und ihre persönlichen Vorstellungen von der Welt feiern, abseits der Wirklichkeit, der Bevölkerung und der sich ständig verschlechternden Sicherheitslage im Land. So sieht es der Bürger. Ein bißchen Spaß, lecker Essen, gutes Geld und ab in den Weihnachtsurlaub. Muß sich gut anfühlen!
Wolf Manuel Schröter
14. Dezember, 2018Vielen Dank, Herr Wendt, für den Artikel. Was heute in den Medien und drumherum geschrieben, gesprochen und gezeigt erscheint, geschieht in einer Art und Weise, die dem ehemaligen DDR-Bürger, der sich in der bundesdeutschen Demokratie angekommen glaubt(e), sattsam bekannt vorkommt. Ich frage mich, ob die Medien hierzulande (wenige Ausnahmen bestätigen nur die Regel) wirklich von Interessengruppen und Personen gelenkt werden, die alle die gleiche “Milch der frommen Denkungsart”, wie sie die thronende Pfarrerstochter verkündet, verinnerlicht haben oder ob eine “Gleichschaltung” dahinter steht, die auf Pression geistiger und materieller Art beruht?! Soviel “vorauseilender Gehorsam”, soviel “Schere im Kopf” konnte man zu DDR-Zeiten zur Kenntnis nehmen, wo teils recht abartig-interessante Wortschöpfungen dann selbst in den (Ost-)CDU-Blättern (waren halt nicht alle Widerstandskämpfer, wie sie es gern verkündeten, damals, zu Wendezeiten!) erschienen, teils gleich ganze “Nachrichten” verschwiegen, verdreht, ideologisiert und letztlich auch verlogen dargestellt wurden. Die heutigen “Worterfindungen”, die “Sinngebungen” in tendenziöser Weise, die Verdrehungen widersprechen jedem Ethos, mit dem sich die Journaille (war das ein DDR-Wort? Passt aber hier!!) doch so gern brüstet! Eine Schande!
Stefan
14. Dezember, 2018“Gegen Harder-Kühnel, die zum gemäßigten AfD-Flügel zählt, äußerte bisher niemand einen konkreten Vorbehalt.”
Sogar Ihnen Herr Wendt wurde ein Wort untergejubelt: Gemäßigten AfD-Flügel, das suggeriert, dass es einen extremen bzw. radikalen Flügel gibt. Doch es gibt in der AfD keinen Flügel, der sich gegen den Rechtsstaat und die Verfassung stellt. Es gibt nur einen der radikaler in seiner Ausdrucksweise fordert, diesen in weiten Teilen verloren gegangenen Rechtsstaat, wieder herzustellen.
Eugen Karl
15. Dezember, 2018Nun es gibt in jeder Partei Flügel. In diesem Faktum ist nicht beschlossen, daß notwendigerweise einer dieser Flügel gegen Rechtsstaat und Verfassung gerichtet ist. Das wurde also überhaupt nicht behauptet. In der AfD gibt es allerdings einen Flügel, der die Partei auf Dauer zuverlässig unter 20% halten wird. Zu diesem Flügel gehört Frau Harder-Kühnel nicht. Das ist alles.
Eugen Karl
14. Dezember, 2018Diese Handlungen sind aber nicht nur Beugung des Rechts, sondern sie sind doch ganz offenbar auch unmoralisch. Deswegen wehre ich mich gegen den im Untertitel insinuierten Gegensatz zwischen Moral und Recht. Einen solchen Gegensatz gibt es – im ausschließenden Sinne – nicht. Gutmenschen versuchen mit Scheinargumenten emotional zu wirken, und wir glauben (fälschlicherweise) Moral sei gefühlsgesteuert. Damit aber machen wir den irrationalen Trip der Gutmenschen mit. Das ist falsch, voraufklärerisch und führt letztlich dazu, daß Moral nicht nur durch Gutmenschen, sondern auch durch ihre Gegner diskreditiert wird.
Sabine Schönfelder
15. Dezember, 2018Ganz genau!
Charlotte H.
14. Dezember, 2018Nach der Besprechung des Artikels von Michel Houellebecq über Donald Trump in „die WELT“, habe ich soeben das Original in Harper´s Bazar gelesen – https://harpers.org/archive/2019/01/donald-trump-is-a-good-president/. Gewöhnt an den Würgegriff des Entweder-Oder-Denkens zeigt die Autorin des WELT-Artikels ob der Vielschichtigkeit und dem Wechsel der Ebenen in Houellebecqs Text Irritation. Als wolle sie sagen – der Text verführt mich in eine unbekannte Welt die mir gefällt – auch wenn sie mich immer wieder verunsichert – ich weiß nicht, ob es erlaubt ist oder ob ich eine politische Unkorrektheit begehe. Und ich denke: wir können richtig froh sein, dass die PC nicht schon vor 150 Jahren erfunden wurde, sonst gäbe es nämlich keine Weltliteratur – und Herr Dostojewski säße auf der Liste von Herrn Maas.
Rudolf Sperr
15. Dezember, 2018Klatsche!
Der Münchner Merkur, der sich immer mehr zum seichten Boulevard-Blatt wandelt, titelt jedesmal, wenn ein Abgeordneter der AfD eine Wahl verliert: Klatsche für..
Fantomas
15. Dezember, 2018Beim MM liegt das am Verleger Dirk Ippen. Der ist sowas von politisch korrekt. Hat jetzt auch die siechende FR gekauft. Das sagt alles.
Dreggsagg
15. Dezember, 2018Wenn es gegen “rechts” geht, ist auch Rechtsbeugung erlaubtes Mittel.
Das Dumme am Verhalten der Altparteien ist nur, daß dieses Tun der AfD weiteren Auftrieb gibt.
Nur merken es die Dummdödel von CDUCSUSPDGrüneLinke nicht!
Es ist einfach grotesk, in welches stinkend-trübe politische Fahrwasser der Merkelismus und die ihn tragenden Parteien unser Land gebracht hat!
Albert Schultheis
15. Dezember, 2018Sehr guter Kommentar, Herr Wendt – einmal mehr: durchdachte, schlüssige Argumente verpackt in stimmige Sprache, die auf alles Reißerische verzichtet. Ich glaube, das ist der Weg, auf dem man die “Kollegen” bei tazens, Spiegels und Zeits sich selbst disqualifizieren und demontieren lässt – und die “Hohe Politik” bloßstellt. Die eigentliche Aufgabe der Presse.
Aber ich würde gerne auch den Fokus auf eine ganz andere Art der Denunziation und des Errichtens neuer, moderner Scheiterhaufen lenken:
Das sind die alltäglich gewordenen Petitionsplattformen. Ich finde es durchaus gerechtfertigt, wenn Petitionen gegen einen Missstand oder für eine gute Sache, Idee oder Vorschlag initiiert werden. Wenn sich solche Petitionen aber konkret gegen eine Person richten und zwar an deren Arbeitgeber oder Dienstherren, gleichzeitig mit der Forderung diesen seines Amtes zu entheben, ihm gar den Doktortitel abzuerkennen und ihm damit die Fortsetzung seiner Karriere kaputt zu machen, dann erinnert ein solches Vorgehen an die bekannten Pranger und Scheiterhaufen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die erst aufgeklärtes Recht und Rechtswesen beseitigen konnten.
Das jüngste krasse Beispiel dazu: Die Petition einer Prof. Dr. Kristina Wolff der Uni Stuttgart gegen ihren Kollegen ein Dr. Merz auf der Plattform Change.org “Verbale Gewalt”:
https://www.change.org/p/prof-dr-wolfram-ressel-rektor-der-universität-stuttgart-worte-schaffen-werte-stop-der-verbalen-gewalt-gegen-frauen
Ich habe der Petition zugestimmt, meine Zustimmung allerdings in meinem begleitenden Kommentar verweigert, denn nur auf diese paradoxe Weise konnte ich meinem Widerspruch Ausdruck verleihen – hier mein Kommentar dazu:
“WARUM ICH GEZEICHNET HABE
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Wolf,
Ihre Kampagne in allen Ehren – auch ich kann weder Männer noch Frauen ausstehen, die so reden, wie Sie das geschildert haben. Das gehört sich einfach nicht und sollte entsprechend scharf kommentiert werden – am Besten unmittelbar dann, wenn solche Worte fallen.
Was ich aber gleichermaßen nicht ausstehen kann, das sind öffentliche Pranger, so wie wir sie aus dem Mittelalter kennen und wie wir sie nun wieder im Zeitalter des Internet ganz neu kennenlernen. Ich kenne weder Sie noch den besagten Herrn Dr. Merz, werde aber persönlich dazu aufgefordert, Ihre Kampagne mitzutragen und zu unterschreiben! Ich kann das nicht unterschreiben, denn für mich, aus der Ferne und unbekannterweise sind das, was Sie gegenüber diesem Herrn Dr. Merz vorbringen zunächst nichts weiter als Behauptungen, im schlimmsten Fall Unterstellungen, oder Neudeutsch “Fake News”. Darüber hinaus gewährt eine solche Prangerkampagne dem Beschuldigten nicht die geringste Chance sich zu äußern, er wird nicht gehört. Zugleich klagen Sie nicht nur an, Sie fordern auch gleich die entsprechende Bestrafung: Entzug des Doktortitels, was einem Berufsverbot gleichkommt. Ich muss nicht erwähnen, dass grundlegende Errungenschaften aufgeklärten Rechts damit mit Füßen getreten werden: Das Recht auf Anhörung, auf ein faires Verfahren sowie das Rechtsprinzip In Dubio pro reo. Aus den genannten Gründen muss ich Ihnen meine Unterschrift prinzipiell verweigern.
Haben Sie eigentlich jemals versucht, den besagten Herrn Dr. Merz zur Rede zu stellen?
Hochachtungsvoll,
Albert Josef Schultheis”
Überflüssig zu erwähnen, dass mein Kommentar nach wenigen Minuten gelöscht wurde. Daraufhin habe ich es mit einem weiteren Kommentar versucht:
“Ich hasse diese Internet-Pranger! Es ist so leicht jemanden auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen – it’s just a mouse click away! Es braucht nicht einmal Mut oder Geld oder Hirn dazu. Und es fühlt sich so gut an, so gut zu sein! Und anderen einfach eins reinzuwürgen. Es ist ein bisschen so wie diese Drohnenkiller am Joystick im fernen Texas …”
Auch dieser Kommentar hatte nur wenige Minuten Bestand.
Entschuldigen Sie bitte den länglichen Beitrag.
Mit herzlichen Grüßen,
Albert Josef Schultheis
Fantomas
15. Dezember, 2018Genau getroffen. Ähnlich die aktuelle Berichterstattung über den gestern von der AfD erzwungenen Hammelsprung im Bundestag. Es dominiert in den Medien Kritik am “undemokratischen” Vorgehen der AfD. Der eigentlichen Grund dafür, die ständige Nichtwahl des der AfD verfassungsrechtlich zustehenden Vizepräsidenten, wird natürlich in der Berichterstattung ausgeblendet. Aber o.k., das ist halt die berühmte “Pressefreiheit”, die es unbedingt zu wahren gilt.
stephan
15. Dezember, 2018Auf die Nuancen achten – das ist es, was ich an Ihren Kommentaren so schätze. Füllwörter sind eben kein sprachlicher Gips, sondern eine Möglichkeit, Personen dauerhaft negativ zu etikettieren. Mich nervt zum Beispiel das Wort “umstritten”. In einem Artikel einer fälschlicherweise als Qualitätsmedium bezeichneten Postille fand ich in einem Bericht über die Islamkonferenz: der “Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Mazyek” aber “der umstrittene Islamkritiker Hamed-Samad”. Das angeheftete Adjektiv wird gedankenlos weitergetragen. Das Ziel einer Schwarz-Weiß-Klassifizierung ist damit erreicht.